Sonntag, 24. Juni 2012

EuGH: Genereller Ausschluss des Internetvertriebs im selektiven Vertriebssystem unzulässig

Da der Onlinevertrieb von Dienstleistungen bzw. Produkten bei Vertrieblern (MLMler) oftmals in den AGB geregelt ist und immer wieder mal als leidiges Thema auftritt, hier einmal ein Urteil dazu.

EuGH: Genereller Ausschluss des Internetvertriebs im selektiven Vertriebssystem unzulässig

Die Hersteller vor allem hochwertiger und preisintensiver Markenprodukte greifen in ihren Lieferverträgen mitunter zu dem Mittel, Händlern den Vertrieb über das Internet zu beschränken oder ganz zu verbieten. Einem Prestigeverlust der Marke durch ein „Verramschen“ der Ware soll dadurch vorgebeugt werden. Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung vom 13. Oktober 2011 dem Ausschluss des Internetvertriebs durch Händler in einem selektiven Vertriebssystem einen Riegel vorgeschoben und sich damit dem Votum des Generalanwaltes ( vgl. Aktuelles vom 27.05.2011 >>) angeschlossen.

 Ein französischer Hersteller von Kosmetika und Körperpflege-Produkten verschiedener Marken vertreibt die Waren in einem selektiven Vertriebssystem. In den Vertriebsverträgen mit den Händlern hat er festgelegt, dass der Verkauf in Räumlichkeiten und in Anwesenheit eines diplomierten Pharmazeuten erfolgen müsse. Damit war es den Händlern zwar nicht rechtlich verboten, Verkäufe über das Internet zu tätigen. Faktisch waren damit jedoch sämtliche Verkaufsformen über das Internet ausgeschlossen.

 Der EuGH sieht in dem faktischen Ausschluss des Internethandels eine bezweckte Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne des Art. 101 AEUV, die objektiv nicht gerechtfertigt sei. Die Notwendigkeit einer individuellen Beratung des Kunden und seines Schutzes vor einer falschen Anwendung der Produkte rechtfertige ein solches Verhalten nicht. Auch das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, könne kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein. Eine Freistellung vom Kartellverbot nach Art. 2 der Verordnung Nr. 2790/1999 über die Gruppenfreistellung von Vertikalvereinbarungen (heute Verordnung Nr. 330/2010) komme nicht in Betracht. Der Ausschluss des Internetvertriebs bedeute zumindest eine Beschränkung des passiven Verkaufs, die nach Art. 4 lit. c) Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung nicht freistellungsfähig sei.

 Abschließend hält es der EuGH für möglich, dass aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles der Ausschluss des Internethandels nach Art. 101 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt sein kann. Voraussetzung dafür ist, dass die Beschränkung des Wettbewerbs durch den Ausschluss des Internethandels eine Verbesserung der Warenerzeugung oder Warenverteilung unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn mit sich bringt. Die Freistellung nach dieser Vorschrift ist jeweils eine Einzelfallentscheidung. Im konkreten Verfahren ging der EuGH auf diesen Aspekt nicht näher ein.

 EuGH, Urteil vom 13.10.2011 – Rs. C-439/09
Orig. Quelle: http://www.wettbewerbszentrale.de/de/branchen/ecommerce/aktuelles/_news/?id=1136

Donnerstag, 14. Juni 2012

Rechtsstreit um Teldafax-Insolvenz: "Wir haben genug Beweise"

Hunderttausende Kunden hätten niemals einen Vertrag mit Teldafax abschließen dürfen. Der Insolvenzantrag des Stromhändlers kam zu spät. In der Not hatte der Konzern sogar mit Kriminellen verhandelt.

Es ist 12.45 Uhr, als im Amtsgericht Bonn am 14. Juni 2011 ein Schreiben eingeht. Der Vorstand der Teldafax Holding AG, Deutschlands größter Stromhändler, hat die Insolvenz beantragt. Keine Stunde später, um 13.38 Uhr, bestellt das Gericht den Düsseldorfer Anwalt Biner Bähr zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Bähr hat den Möbelhersteller Schieder abgewickelt und Hertie betreut, er ist ein erfahrener Mann. Mit einem Team von Anwälten fährt Bähr noch am selben Tag nach Troisdorf in die Teldafax-Zentrale.

Was er dort vorfindet, schockiert selbst ihn, 240.000 ungeöffnete Briefe, die Buchhaltung ist auf dem Stand von März. Mehr als 750.000 potenzielle Gläubiger hat das Unternehmen nun, so viele wie bei keiner anderen Insolvenz der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Ein Jahr ist das her. Bähr und seine Leute haben sich seitdem fast jeden Tag mit Teldafax beschäftigt. Im ehemaligen Konferenzraum des Vorstands haben sie ihren "War-Room" eingerichtet, Insolvenzanwälte, Betriebswirte und Energierechtler sitzen dort vor ihren Laptops, lesen Akten und werten E-Mail-Konten aus. "Ich habe noch nie so viel gelesen wie im vergangenen Jahr", sagt Bähr.

"Wir haben den Fall gerichtsfest aufgearbeitet"

Er bittet in sein Büro in der Düsseldorfer Innenstadt, ein helles, verglastes Eckzimmer. Die Rollos sind heruntergelassen, die Sonne steht direkt auf den Fenstern. Bähr trägt einen schwarzen Anzug, eine pastellfarbene Krawatte, die Haare akkurat gescheitelt. "Wir haben den Fall gerichtsfest aufgearbeitet", sagt er. "Heute wissen wir, schon seit Mai 2009 war das Unternehmen durchgängig insolvenzreif." Der Antrag am 14. Juni 2011 ist zwei Jahre zu spät gestellt worden. Hunderttausende Kunden hätten niemals einen Vertrag mit Teldafax abschließen dürfen.

Um Neukunden zu gewinnen, verkauft Teldafax Strom unter dem Einkaufspreis. Für ein paar Monate mag das gut gehen, aber über Jahre? Spätestens im Sommer 2009 mutiert das Unternehmen endgültig zu einem Schneeballsystem. Immer neue Kunden muss Teldafax finden, um finanzielle Lücken zu schließen. Mit jeder Kilowattstunde, die Teldafax verkauft, steigen auch die Stromsteuern.

Bereits 2008 ist zu erkennen, dass die gezahlten Steuerabschläge zu gering sind. Am 4. Juni 2009 fordert das Hauptzollamt Köln die Stromsteuern nach: 28,3 Millionen Euro schuldet das Unternehmen dem Fiskus. Das Zollamt schickt zwei Finanzbeamte zur Prüfung. Die Firma sei bilanziell überschuldet, schreiben sie in ihrem Gutachten, trotzdem räumt die Behörde eine Stundung ein. Am 1. September 2010, ein Jahr nach der Prüfung, zahlt Teldafax 13 Millionen Euro an den Fiskus, am 3. September fließen 12,4 Millionen Euro. Das Geld stammt aus einer Bonusaktion, die das Unternehmen im Sommer 2010 aufgelegt hat. Allein durch den Sommerrabatt entsteht dem Unternehmen mittelfristig ein Schaden von fast 20 Millionen Euro.


Rechtsstreit um Teldafax-Insolvenz

Tausende Euro an Kriminelle

Auch danach bleibt Teldafax klamm. In einer E-Mail vom 24. September 2010 räumt Teldafax-Chef Klaus Bath ein, dass das Unternehmen Schwierigkeiten hat. Teldafax habe fünf Millionen Euro auf dem Konto, schulde aber Lieferanten kurzfristig 32 Millionen Euro. "Wenn ich nun noch per Zehn-Prozent-Regel großzügig sieben Millionen Euro abziehe, besteht trotzdem aktuell eine Liquiditätslücke von rund 20 Millionen", schreibt er.

Der Teldafax-Vorstand verhandelte sogar mit Kriminellen

Seit dem Frühjahr 2009 versucht das Teldafax-Management deshalb, das Unternehmen zu verkaufen. "Am besten an einen dummen Russen oder Araber", erinnert sich einer, der dabei war. Doch zahlreiche Interessenten springen ab. Das Problem des Teldafax-Vorstandes: Es liegt kein testierter Jahresabschluss vor. Am 28. Oktober 2009 erhält Vorstandschef Bath Post. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO teilt ihm mit, dass sie die Prüfung der Bilanzen unterbrochen habe: "Die uns vorgelegten Unterlagen legen den Schluss nahe, dass die Gesellschaft zum 31. Dezember 2008 bilanziell überschuldet war und vermutlich auch aktuell weiterhin ist."

In der Not verhandelt der Teldafax-Vorstand sogar mit Kriminellen. Es muss 2009 gewesen sein, als sich ein Mann aus Kairo meldet, er sagt, er sei ein Vermittler und könne etwa 30 Millionen Dollar organisieren, es handele sich dabei um Lösegeld somalischer Piraten. Er bittet um eine Überweisung von 150.000 Euro, um "Vorlaufkosten" zu decken. Die Buchhaltung von Teldafax sendet das Geld nach Kairo.

Im Internet hat dieser Trick längst einen Namen: Nigeria-Scam. Häufig geht es dabei um kleine Beträge: Auf Immobilienportalen preisen Ganoven günstige Wohnungen in Toplage meistens in London oder Paris an. Wer sich meldet, bekommt eine E-Mail in der es heißt, der Vermieter sei gerade in Dubai oder Lagos, man könne die Wohnung aber sofort beziehen, sobald man einige hundert Euro in die Fremde überweist. Das Geld ist dann futsch.

"Rückblickend würde ich eine Sache anders machen"

Die Zahlung 2009 hat Klaus Bath angewiesen. Der ehemalige Feuerwehrmann ist bis März 2011 Chef von Teldafax. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Er möchte sich nicht mehr zum Fall Teldafax äußern. Im August und September 2011 ist er noch gesprächiger. Am Telefon erläutert er damals seine Sicht der Dinge. Nach dem Gespräch gibt er per E-Mail mehrere Zitate frei. Unter anderem: "Rückblickend würde ich eine Sache anders machen: Ich hätte schon, nachdem die ersten Zeitungen im Oktober 2010 über Teldafax berichtet haben, Insolvenz anmelden können."

Mitte September ist er sogar zu einem Treffen in Berlin bereit. Er bittet in ein Café am Kürfürstendamm. Mit einigen Minuten Verspätung trifft er ein. Er setzt sich an einen der runden Tische, die auf dem breiten Bürgersteig aufgestellt sind. Bath trägt einen schwarzen Anzug, der oberste Hemdknopf ist offen. Seinen Gewerkschafterbart hat er ordentlich gestutzt. Er bestellt schwarzen Kaffee und beginnt zu erzählen. Wie er Teldafax geführt hat, dass es kein Schneeballsystem war. Wie beim Telefonat besteht er darauf, dass das Gespräch vertraulich stattfindet, Zitate dürfen nur dann verwendet werden, wenn er sie schriftlich freigibt.

Wenige Monate nach dem Gespräch holt ihn sein autorisiertes Zitat ein. Ein Anwalt aus Süddeutschland droht ihm mit einer Schadenersatzklage, weil sein Mandant erst Ende Oktober 2010 einen Vertrag bei Teldafax unterschrieben hat. Seitdem schweigt Bath.

Kein Problem", sagt Insolvenzverwalter Bähr. "Wir haben genug Beweise."Auch gegen andere Gläubiger, die frühzeitig von der Schieflage bei Teldafax wussten, hat Bähr Material gesammelt. Vom Hauptzollamt verlangt er einen Großteil der Stromsteuer zurück, der Fußballclub Bayer Leverkusen soll 16 Millionen Euro an Sponsorengeldern zahlen und auch mit den Netzbetreibern, die den Teldafax-Strom durch ihre Netz leitete, verhandelt Bähr. Insgesamt fordert er mehr als 150 Millionen Euro zurück. Die Rechtsstreitigkeiten könnten Jahre dauern.

Orig. Quelle:  http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rechtsstreit-um-teldafax-insolvenz-wir-haben-genug-beweise-1.1381932-2

Montag, 11. Juni 2012

Landgericht Heidelberg verurteilt Life Plus zur Erteilung eines Buchauszuges

Mit Urteil vom 14.03.2012 (AZ 12 O 89/10 KfH) verurteilte das Landgericht Heidelberg die Life Plus Europe Ltd. zur Erteilung eines Buchauszuges an einen ehemaligen Berater. Dem zur Folge muss das Unternehmen nun gem. § 87 C Abs. 2 HGB Auskunft über sämtliche Verträge der letzten 3 Jahre geben, die für die Provisionen des Ex-Beraters eine relevant waren. Der Ex-Berater wird so in die Lage versetzt, die bereits erteilten Provisionsabrechnungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Das Gericht stellt dabei klar, dass der Buchauszug weiter geht, als die monatlich erteilten Abrechnungen. So hat der Buchauszug sämtliche Umsätze in Euro und nicht etwa in Volumen anzugeben. Außerdem sind die Berechnungsgrundlagen mitzuteilen.

 Darüber hinaus stellt das Gericht fest, dass der Anspruch auf Buchauskunft jedem Handelsvertreter zusteht, ohne dass dieser geltend machen muss, dass Zweifel an der Richtigkeit der vorangegangenen Abrechnungen bestehen.

Orig. Quelle: http://www.mlmrecht.de/2012/04/24/landgericht-heidelberg-verurteilt-life-plus-zur-erteilung-eines-buchauszuges/#more-176